Teil Zwei: Beidseitiges Feedback – Eine neue Sichtweise auf Interaktionen

Aus: Smarte Bürogebäude – Fluch oder Segen? Menschliche Bedürfnisse und die „Smartifizierung“

In Teil Eins dieser Artikelserie haben wir die Relevanz der beidseitigen Kommunikation zwischen Mensch und Technik für eine gut funktionierende Effizienz-Komfort-Optimierung kennengelernt. Es fehlen heutzutage geeignete Kanäle, die Personen im Gebäude über die (Aus-)Wirkungen ihres Handelns informieren.

Mögliche Strategien zur Verbesserung des Energieeinsparverhaltens

In der folgenden Grafik vom Wuppertal Institut und der EBZ Business School (Abb. 1) werden Strategien entsprechend ihres Potenzials zu Verhaltensveränderungen und Energieeinsparungen kategorisiert.

Wirksamkeit der Strategien werden in drei Stufen eingeteilt.

Abbildung 1: Wirksamkeit verschiedener Energieeinsparstrategien auf Grundlage der Ergebnisse aus der explorativen Recherche (Quelle: „Entwicklung einer Strategie zur Unterstützung des Energieeinsparverhaltens von Nutzern/innen in Büro- und Verwaltungsgebäuden“, Wuppertal Institut und EBZ Business School)

Direktes Feedback von der Technik an die Menschen, die sie nutzen, ist dabei nur eine von vielen Strategien zur Beeinflussung des Energieeinsparverhaltens (siehe Abb. 1). Gerade dies wurde von den befragten Personen auf dem Schindler Campus als besonders relevantes, fehlendes Element angeprangert. In den folgenden Beispielen widmen wir uns daher verschieden Feedbackmöglichkeiten und der Energietransparenz über Monitoringsysteme. 

Die gefühlte Innenraumtemperatur / Energietransparenz

Die gefühlte Innenraumtemperatur ist wesentlich für den Komfort in einem Raum. Zugleich ist dieses Empfinden jedoch individuell und fällt somit in das bereits beschriebene Effizienz-Komfort-Problem. Während eine Person gerne bei 16°C das Fenster offen lässt, wird im Nachbarraum auf 23°C geheizt. Weder ein offenes Fenster noch 23°C sollten technisch ausgeschlossen werden, sonst leidet der Komfort. Beides ist aber auch nicht unbedingt energieeffizient. Würde den Nutzer:innen nun aber live kommuniziert, welche Energiemenge sie mit ihrem individuellen Verhalten beeinflussen können, könnten sie diesen Teil der Verantwortung übernehmen und eine reflektierte und bewusste Entscheidung treffen. Mit etwas Aufwand können heute live-Darstellungen des Energieverbrauchs erstellt werden, um die Wirkung des eigenen Verhaltens erlebbar zu machen.

Der automatische Sonnenschutz / Entscheidungstransparenz der Algorithmen

„,Warum fährt diese verdammte Jalousie nun schon wieder runter?‘ frage ich mich und eile zum Schalter, um das herabfahrende Rollo anzuhalten. Meine Kollegin tut es mir gleich. Jeden Tag wiederholt sich dieses Szenario mindestens ein-, meist jedoch mehrmals. Aus mir scheinbar unerklärlichen Gründen startet die Automatik beim kleinsten Sonnenstrahl, sofern überhaupt etwas von der Sonne erkennbar ist. Knallt die Sonne später volle Kanne in unser Büro, steht die Jalousie still. Ich habe schon mehrmals versucht, die Automatik zu deaktivieren, um wieder selbst darüber bestimmen zu können, wann ich Sonne am Arbeitsplatz haben möchte und wann die Einstrahlung zu intensiv ist bzw. blendet. Dies blieb leider erfolglos. Für den Prozess, der hinter dieser Automatik steckt, habe ich absolut kein Verständnis. Ich frage mich sogar, ob überhaupt ein tieferer Sinn oder ansatzweise eine Intelligenz dahintersteckt.“

An diesem Beispiel lässt sich sehr gut veranschaulichen, welche Konsequenzen es mit sich bringt, die menschlichen Bedürfnisse im Prozess nicht zu berücksichtigen. Unverständnis und Widerstand sind die Folge.

Tatsächlich kommt in dem im Zitat beschriebenen Gebäude ein sehr einfacher Algorithmus zu Einsatz. Modernere Sonnenschutzsysteme beziehen in die Entscheidung zum Herunter- und Hochfahren die Außen- und Innentemperatur, die Belegung des betreffenden Raums und die tatsächliche Blendwirkung der Sonne mit ein. Dennoch, je komplexer der Algorithmus, desto intransparenter wird das „Verhalten“ einer Jalousie für die Personen im Raum. Neben der bereits beschriebenen „Energietransparenz“, um bewusste und reflektierte Entscheidungen treffen zu können, kommt also auch noch die Notwendigkeit der Nachvollziehbarkeit der automatischen Entscheidungen hinzu. Es muss verständlich gemacht werden, warum etwas im Raum geschieht (in diesem Fall die Gründe für das Herunter- / Herauffahren der Jalousie), um damit die Akzeptanz zu erhöhen, bzw. überhaupt zu generieren.

Auch Algorithmen, die die individuellen Präferenzen lernen, sind heute denkbar. Wird das Herunterfahren des Sonnenschutzes, wie im oben genannten Fall, immer manuell übersteuert, sollte es ausbleiben. Wird der Sonnenschutz später manuell wieder heruntergefahren, könnte ein lernendes System die Situationen anhand verschiedener Inputparameter (z.B. dem Sonnenstand) differenzieren und damit immer genauer den spezifischen Wünschen folgen. Solche User-Feedback-Loops könnten Bestandteil zukünftiger Untersuchungen sein, heute lassen sich jedoch noch keine Aussagen über mögliche Verbesserungen bei der Zufriedenheit treffen. 

Lüftung / Ansätze zur Nutzerassistenz

„,Es zieht‘ …schon wieder bin ich genervt, dass mein Kollege das Fenster aufgerissen hat und ein unangenehmer kalter Luftstrom an mir vorbeizieht. Ich habe ja nichts dagegen, ab und an frische Luft hineinzulassen, aber das Fenster ewig offen zu lassen und am besten zwischendurch noch in dieser Zeit vom Platz wegzulaufen, nervt mich. Es ist mir unerklärlich, wie man GERNE in einem kalten und zugigen Raum sitzen kann. Es ist ja nicht so, dass mir dieses Phänomen nicht schon aus Schulzeiten bekannt wäre…die einen bevorzugen ewiges Stoßlüften, die anderen drängen sich um die Heizung, um nicht komplett einzufrieren. Vor allem im tiefen Winter gab es hier immer wieder endlose Diskussionen, die nicht immer auf freundlichem und verständnisvollem Niveau verliefen. Wenn ich den Sachverhalt jedoch objektiv betrachte, frage ich mich, was denn eine geeignete Lösung für dieses Problem wäre? Denn eines ist klar, frische Luft wird benötigt. Doch ein Gebäude, in dem die Lüftung automatisch funktioniert und die Fenster überhaupt nicht geöffnet werden können? Auch diese Erfahrung durfte ich bereits machen und kann sagen, ich war mit diesem Ansatz nicht glücklich. Sommers wie winters eine einheitliche Temperatur, keine direkte Kontaktmöglichkeit zur Außenumgebung für Ohr und Nase, keine authentische Wahrnehmung des Wetters und ein ständiger Luftzug der Klimaanlage sind auf Dauer sehr unangenehm und frustrierend. Somit scheint es mir, als müsse man sich mit seinen Kolleg:innen arrangieren, Gespräche führen und auf Kompromisse einigen. Denn so viel steht fest: Einzelbüros, in denen jede:r seine/ihre individuelle Klimatisierung und Lüftung erfolgen kann, sind für eine gute Zusammenarbeit und einen kollegialen Austausch definitiv nicht zielführend.“

Betrachten wir die Luftqualität in Innenräumen. CO2 als geruchsloses Gas wird von den meisten Menschen nur spät und indirekt durch Konzentrationsschwierigkeiten und Kopfschmerzen wahrgenommen, ist dabei aber gleichermaßen Energieeffizienz- wie Produktivitätskiller. Vor allem, um die Virenlast unter Kontrolle zu bringen, aber auch zur Förderung einer guten Raumluftqualität, wurden in den letzten Jahren diverse Geräte entwickelt. Herausstechend ist hier der „Klimaspatz“, wie er in der o.g. Studie des Wuppertal Instituts und der EBZ Business School beschrieben wurde.“ [Dieser Klimaspatz] heißt „Piaf“ und misst die Luftqualität im Raum. Der Raumklima-Assistent erfasst neben dem CO2-Wert auch die Temperatur und die relative Luftfeuchte und signalisiert [über angenehmes Zwitschern, Anm. des Autors], wenn das gesundheitliche Wohlbefinden wegen verminderter Luftqualität sinkt und gelüftet werden sollte”,* heißt es in einer Pressemittteilung von 2019 . Aber auch einfachere Systeme mit LED-Ringen o.ä. können sehr wirksam sein, um unaufdringlich auf die richtigen Lüftungszeitpunkte (Fenster öffnen / Fenster schließen) aufmerksam zu machen. 

Solche Geräte, die Menschen unterstützen und zu einem bewussten Verhalten befähigen, sind unter dem Begriff “technische Assistenzsysteme“ zu finden. Sie unterstützen ihr menschliches Gegenüber mit bestimmten Fähigkeiten, greifen aber nicht unbedingt aktiv ein. Etwas weiter gedacht könnten auch hocheffiziente und -technisierte Gebäude von der Mitarbeit der Nutzer:innen profitieren. So ist es aus energetischer Sicht wohl leicht nachvollziehbar, dass bei milden Außentemperaturen eine mechanische Lüftung (mit Ventilatoren) mehr Energie benötigt als ein offenes Fenster. Um dieses Potential zu heben, müssen die Personen vor Ort einbezogen und mit den notwendigen Informationen über die Gebäudetechnik versorgt werden. Denn wem ist schon bewusst, wie viel elektrische Energie beispielsweise die Lüftungsanlage allein für die Ventilatoren benötigt und ab welcher Außentemperatur die zurückgewonnene Wärme diese notwendige elektrische Energie übersteigt?

EIN DAUMENWERT: IM VERGLEICH ZUR FENSTERLÜFTUNG IST DER BETRIEB EINER LÜFTUNGSANLAGE MIT WÄRMERÜCKGEWINNUNG ERST UNTERHALB VON 17°C (4°C DIFFERENZ ZUR INNENTEMPERATUR) ENERGETISCH SINNVOLL. GENAUSO VERHÄLT ES SICH IM SOMMER: OBERHALB VON ETWA 30°C SOLLTE AUS ENERGETISCHER SICHT DIE LÜFTUNGSANLAGE MIT WÄRMERÜCKGEWINNUNG GENUTZT WERDEN UND DIE FENSTER GESCHLOSSEN BLEIBEN.
WER DIES NUN IN SEINEM BÜRO UMSETZEN MÖCHTE, SOLLTE VORHER PRÜFEN, OB DIE LÜFTUNGSANLAGE RAUM- ODER MIETBEREICHSWEISE ABGESCHALTET WERDEN KANN BZW. OB SIE DIES BEI FENSTERÖFFNUNG AUTOMATISCH TUT. SONST KOMMT ES ZU EINER „DOPPELTEN“ ENERGIEVERSCHWENDUNG.

Ein guter Kommunikationskanal von Technik zum Menschen kann auch den beschriebenen Anwendungsfall „manuelle Fensterlüftung statt maschineller Anlage bei milden Außentemperaturen“ abdecken und damit weiteres Effizienzpotential heben. Gleichzeitig bleibt es eine individuelle Entscheidung, ob sich diese zusätzliche Tätigkeit lohnt oder doch die Faulheit siegt.

Fazit

Die genannten Beispiele zeigen, dass bezüglich der Automatisierung von Heizungs-, Kühlungs- und Lüftungssystemen erhebliches Potential hinsichtlich Energieeffizienz und Zufriedenheit der nutzenden Personen besteht. Im Vordergrund steht dabei das Feedback von der Technik zum Menschen hinsichtlich Live-Energieverbrauch, Erklärung der algorithmisch getroffenen Entscheidungen und Einbeziehung in die eigentliche Automatisierungsaufgabe. Im nächsten Artikel dieser Serie widmen wir uns der flexiblen Büroflächennutzung, nutzerzentrierte Betriebsführung und dem Zufriedenheitsfeedback.

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